Hanns Dieter HüschVorwort von Hanns Dieter Hüsch zur MIMUSE 1989

Text über Gott und die Welt und die Kleinkunst

FEINE KOMÖDIEN
FEINE TRAGÖDIEN
DAS FEINSTE VOM LEBEN

Am Anfang mochte ich das Wort gar nicht: Kleinkunst. Das roch so nach dem Kaninchen aus dem Zylinder, Feuerschlucken für Fortgeschrittene und Tellerdrehers Schatzkästlein. Nein, es war mir einfach zu wenig, es klang mir zu vertüddelt. Dabei hatte ich selbst, befragt, was für mich Kabarett sei, immer gesagt: Kabarett, das sei für mich, wenn man in einem kleinen Raum, vor zahlenmäßig kleinem Publikum (maximal 150 Personen) kleine Formen, eben Lieder, Sketche, Kurzgeschichten und Gedichte vortrage, möglichst Eigengeschriebenes und Selbstkomponiertes, mithin auf eigene Gefahr. Kabarett, das war für mich auch ein klares Wort, unbestechlicher, kämpferischer, mit dem Rücken zur Wand. Kleinkunst, das kann alles Mögliche sein, aber Kabarett, dachte ich, das ist eine klare Mission, das ist das Wort für Kirche ohne Kanzel.

Nun habe ich inzwischen zweimal den „Deutschen Kleinkunstpreis" im „Unterhaus" zu Mainz erhalten. Oft schreibe ich auch in die Übernachtungsfragebögen der Hotels einen kapriziösen Beruf hin, nämlich: Artist. Sollte mich ein Rezensent, versehentlich oder gezielt, das bleibt seiner Fantasie überlassen, auch mal unter die Schausteller und Schriftspieler einreihen, so denke ich heute: Why not?! Und abgesehen von allem, das muß hier nachgeholt werden, ich habe nichts gegen das Varieté, ich bin fasziniert von Jongleuren, Akrobaten und allen, die ohne Wort und Netz arbeiten und Abend für Abend Höhen und Tiefen richtig einschätzen müssen. Nichts gegen Unterhaltungshandwerker, Fahrendes Volk, Zirkuskünstler undsoweiter. Nein, ich liebe sie und verehre meine Kollegen, auch wenn sie aus anderen Gassen auf die Bühne oder in die Manege kommen.

Heute denke ich oft, unser aller Leben ist Kleinkunst, es gibt soviel zu erzählen, von morgens bis abends, und in der Nacht. Seit Adam und Eva jagen sich die Tragödien und die Komödien, die Kleinigkeiten und die ganz großen Taten und Torheiten.

Kleinkunst, überall, wo man auch hinguckt und hinhört, mal kleinkariert, mal größenwahnsinnig.

Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen, Lachen und Weinen halten den Menschen am Leben. Wer das in unterhaltender Form innerhalb von drei Minuten auf einen Punkt bringen kann, der ist ein Kleinkünstler. Einer, der mit Himmel und Erde umgeht, als wär's sein täglich Brot, der mit Leichtsinn gegen die Schwermut, mit UnFUG gegen das UnRECHT auftritt, sich selbst dabei nicht aus den Augen läßt und sich oft genug dem Gelächter preisgibt. Ein
Komiker auf kleinstem Raum, der die Tragödie auf seinem Teller hin und her dreht, bis sie schließlich zur Komödie, wenn nicht zur göttlichen, aber dann zur irdischen, alltäglichen wird.

Und diesen sogenannten Wortspielern, sprechend und singend, möchte ich zurufen: Schert Euch einen Teufel drum, wie man Euch nennt, ob Kleinkünstler, Kabarettisten oder Brettlnarren; pflegt Euer Handwerk und Eure Heiterkeit, eingedenk was Kleinkunst alles sein kann, nämlich: Wahnsinn und Bauchspeicheldrüse, Romantische Ironie, Caféhaus und Zähnezeigen, Politik und verstimmtes Klavier, Klatsch und Kakophonie, Schützenfeste und Einsamkeit, Eifersuche, Haarersatz, langer Samstag, Babysitter und Baumbestand, Religiöse Prothese und Turnerbund, Feuerwehr, Beamtenhumor und Betriebsausflug, konzertante Philosopie, Seelenkäse und Aufklärungslokomotive, ambulante Schizophrenie, Buttercremetanten, verlorener Nachmittag, Bonn, Krankheit, Gedankenberge.

Psychokitsch und Aussagezwang, Nachtschattenblume, Männerchöre und Gretchenfrage, Schuldenberge und Scheidungsgrund, Messer und Gabel, Trauer und Tollwut, Kaschemme und Kirche, Kleinstadt und Kegelclub, Schwachsinn und Todesfall, Blackout und Applaus.

Christof StählinDer Tübinger Kabarettist Christof Stählin machte sich 1987 für uns Gedanken

Kleinkunst

Wir kennen wohl alle noch jene weißgelb lackierten Küchenbuffets aus der Nachkriegszeit, deren Steingut- oder Glasschubfächer mit Aufschriften wie „Salz", „Zucker", „Mehl" geziert waren, dann aber auch mit selteneren Begriffen wie „Graupen" und schließlich mit so Exotischem wie „Sago", was bei uns in Süddeutschland unbekannt ist. Warm vertraut dagegen war der tatsächliche Inhalt des Sagofaches, nämlich Bleistiftstummel, Hansaplaströllchen, alte Briefmarken, Reißnägel und Gummiringe, ein Dorado für den forschenden kindlichen Geist und ein Sinnbild des Ordnungssinnes einerseits, andererseits aber auch der Schlamperei. Denn aufgeräumt war zwar die Küche, nicht aber das Sagofach, dem sie ihre Ordnung doch verdankte. Alles, was sonst keinen Platz im System hatte, also keinen eigenen Haushaltstitel, war nun unter „Sago" zusammengefaßt, es hätte auch „Varia" heißen können, „Sonstiges" oder eben „Kleinkunst". Dies ist nun keineswegs ein genauer, sondern vielmehr ein sammelnder Begriff für alles, was sonst stören würde, kunsthygienisch hocheffektiv niedlich gemacht und zusammengeschmissen zur Freude einer logisch ja eigentlich notwendigen Großkunst, ihrer Verwalter, Vermittler, Gagen- und Tantiemeempfänger.

Man redet aber von Großkunst ebensowenig wie man von Großasien redet, denn Asien hat's nicht nötig, sich von Kleinasien unterscheiden zu wollen, womit den Bewohnern Kleinasiens die Zugehörigkeit zur Kunst abgesprochen ist. Sei's drum. Hat nicht Kleinasien generöse Strände, gewaltige Hochflächen und uralte Traditionen so gut wie Asien? Ja, sagt man nicht dem Menschen nach, die Ursprünge seiner Kultur in Kleinasien zu haben, wenn nicht gar dort herzustammen? Nein, ein gewisses Verständnis von Kunst braucht die Kleinkunst, um Ernsthaftigkeit und Seriosität der Kunst besser herausstellen zu können, denn ein ernsthafter und seriöser Kleinkünstler, das walte die Ordnung im Sagofach, ist nicht auszudenken. Liebenswert und verspielt ist das Ambiente des Kleinen, und wo man hinkommt, kokeln Kerzen als Atmosphärespender in Aschenbechern auf den Tischen. Ich habe mich einmal geduscht hinter einer Kleinkunstbühne und hinterher das Handtuch vermißt. Da habe ich einfach ein paar rosa Servietten geklaut, die den Kleinkunstkerzen als Tropfschutz untergelegt waren, das ging auch. Erfinderisch und improvisationsfreudig sind wir schon, wir vom Völkchen der Kleinkunst, preiswert wegen Anspruchslosigkeit und immer rasch verfüg- und einsetzbar, Kritik im Lokalteil von der Uschi mit der Zwei im Besinnungsaufsatz. Juhu!

Quietschlebendig flattern wir vom ausgebauten Bunker über das Renaissanceschlößchen zur Kulturscheune und kriegen jeden Abend Applaus und Geld bar ins Ohr und auf die Hand, sonst können wir einpacken. Und wenn in Emsingen an der Benz wieder Kleinkunsttage sind, nix wie hin! Die Kleinasiaten müssen doch auch zu ihrem Sago kommen! Subventionen brauchen wir keine.

Seit 1980 gibt es jetzt die MIMUSE. Zeit für eine kleine Rückschau.

Zahlreiche Künstler waren bei uns und kommen auch gerne immer wieder. Einige von ihnen haben uns Vorworte hinterlassen.
Hier sind die Vorworte von Künstlern zu Norddeutschlands größtem Kabarett- Comedy- und Kleinkunstfestival - der MIMUSE.

MIMUSE

Finale der „HokusPokus"-Gala mit C. Herero, H. H. Thielke, R. Fislage, Eric & Andre mit Partnerin, J. Forster, Yoko & Hama und Juno

TERMIN VERLEGT

24.10.24  M. Tschirpke  
05.02.26
07.03.24  B. Stijelja 16.01.25
20.04.23  Lucy v. Kuhl 
20.02.25

Karten sind weiter gültig.

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