Erwin GroscheVorwort zur MIMUSE '94 von Erwin Grosche:

„VORworte des erfolglosen Kleinkünstlers Anilla Corso"

VOR dem Duschen: Ihr seid meine Socken. Mit euch werde ich heute auf der Bühne stehen. Du bist meine Unterhose. Du wirst mich auf diesem Gang begleiten. Du bist mein Unterhemd. Dich werde ich heute wieder vollschwitzen. Wo sind meine Schuhe?

VOR einem Reporter der Gütersloher Glocke: Ich habe einen Kollegen, der bügelt vor einem Auftritt immer seine Bühnenhemden, um das aufsteigende Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Ich gab ihm einmal meine weißen Hemden mit, um ebenfalls von dieser Marotte zu profitieren. Leider ließ er diese links liegen, weil so ein Lampenfieber-Ablenkungsmanöver nur funktionieren würde, wenn es sich bei den zu bügelnden Bühnenhemden um die eigenen handelt. Dabei ist es allgemein bekannt, daß dieser Kollege sowohl als Bühnendarsteller, als auch als Hemdenbügler eine große Katastrophe ist. Da kann er aufgeregt sein, wie er will.

VOR einem Traum: Der Künstler ist auf seinem Weg in ein Hotel zu einem letzten Bier in einer sonderbaren Kellerbar gelandet. Eine sonderbare Kellerfrau fragt ihn dort, ob sie ihm ein wenig Gesellschaft leisten solle und schlingt schon einen reichlich geschmückten Arm um ihn. Der müde Künstler, der an diesem Orte einfach nur ein Bier trinken wollte, entwindet sich diesem Zugriff und verneint das sonderbare Angebot. Durch ihre Ähnlichkeit mit seiner Mutter kommen sie trotzdem ins Gespräch, werden sich aber nicht so vertraut, daß er ihr auf ein im Erdgeschoß gelegenes Zimmer folgen will. Er bezahlt schließlich sein teures Bier und gibt der Kellerbedienung ein großzügiges Trinkgeld, welches sie sich mit seiner Gesprächspartnerin teilen solle. Diese Gesprächspartnerin fragt ihn noch, beim im Mantelhelfen, was er denn so beruflich machen würde und er erwidert, wie so oft, daß er Kleinkünstler sei.

Dann geht er und hört hinter sich lautes Frauenlachen, welches lange aufgespart worden ist und irgendjemand sagt immer wieder diesen Satz: Ach so, er ist Kleinkünstler! Ja dann, wenn er nun mal Kleinkünstler ist. Da kann man halt nichts machen, er ist nun mal Kleinkünstler.

VOR einer Reporterin des Kölner EXPRESS: Ich habe einen Kollegen, der macht mir alles nach. Kürzlich traf ich ihn in meiner Stammkneipe, er saß neben meiner Freundin und gab gerade eines meiner Gedichte zum Besten: VON DEN BÄUMEN MEINER TRÄUME FIELEN ÄPFEL... und so weiter, und so weiter. Daraufhin stellte ich meinen naseweisen Kollegen zur Rede und sagte ihm, daß er mir alles nachmachen würde und er konterte wie gewohnt, daß ICH eher im Gegenteil IHM alles nachmachen würde und gab meiner Freundin einen Kuß.

Nun habe ich beschlossen im Geheimen zu arbeiten und mich von meiner Vergangenheit zu trennen, damit das daraus Entstehende seinem Zugriff für alle Zeiten entwunden sein wird. Soll er doch mit meinen Gedichten zu einfachen Zielen gelangen wie Ruhm und Ehre. Ich stehe auf UMWEGE. Kürzlich hatte ich das seltene Vergnügen mal wieder eines meiner Gedichte in seiner Aufarbeitung zu erdulden. Ich bemerkte dabei amüsiert, daß er neben mir noch einen anderen Künstler nachmachte und dies schon auf eine unnachahmlich freche Weise, daß ich dachte, wenn er so weiter macht, dann kann er bald als Gruppe auftreten und Gage verlangen für vier.

VOR einem Traum: Ein Künstler steht auf der Bühne und spielt ein Stück über jemanden, der sich allein fühlt und dauernd vor sich hinsagt: NIEMAND IST ALLEIN, DER SICH NICHT ALLEIN FÜHLT! Menschen, die eigentlich von einem Spaziergang kommen und auf den nächsten Bus warten, hören diese Stimmen aus dem städtischen Theatersaal und stellen sich an die angelehnte Eingangstür und horchen unauffällig den weiteren Seufzern: DIE EINSAMKEIT IST KEIN DUO!

Angelockt durch die Menschentraube, schieben sich Kinder durch die Horchenden, kiebitzen durch das Schlüsselloch und verfolgen gespannt jede Bewegung des auf der Bühne stehenden Künstlers: DU BIST NICHT DA, ICH LIEGE LINKS UND KANN NICHT SCHLAFEN!

Die Feuerwehrkapelle und die Polizeikaspertruppe, zurück von den täglichen Proben, mischen sich unter die Menschenmenge und lauschen verzaubert dem Geschehen hinter der angelehnten Theatersaaltür: DIE EINSAMKEIT IST NUR GEMEINSAM SCHÖN!

Der Künstler auf der Bühne merkt von all dem nichts und spricht weiter seine einsamen Sätze und ahnt nichts von dem entfachten Interesse und der zufällig entstandenen Aufmerksamkeit: NIEMAND IST ALLEIN, DER SICH NICHT ALLEIN FÜHLT!

Schließlich gibt die nur angelehnte Eingangstür unter dem entstandenen Menschendruck nach und die zuhörende Menschgruppe purzelt unvermittelt und unangekündigt in den Bühnenraum. Neugierig und mißtrauisch starrt der so unterbrochene Künstler auf den Menschenberg und sagt schließlich schmunzelnd: KOMMEN SIE DOCH HEREIN. SETZEN SIE SICH UND SCHAUEN SIE MIR ZU. WENN SIE SCHON MAL DA SIND, KÖNNEN SIE AUCH GLEICH DABLEIBEN. SEIEN SIE NUR BITTE AUFMERKSAM. ES GEHT HIER WIEDER, WIE IMMER, UM LEBEN UND TOD.

Der Künstler spielt nun sein Stück über die Einsamkeit und spürt dabei, wie sehr er sein Publikum in den Bann schlägt. Glücklich applaudierend bedankt sich endlich die zufällig entstandene Gemeinschaft bei dem erschöpften Gestalter dieses einsamen Abends: DANKE, RUFT DIESER, SIE HABEN MICH ERSCHAFFEN!

DITO, RUFT DAS PUBLIKUM, WEITER SO!

VOR dem Ende: Es ist ein Irrtum zu glauben, daß Künstler für das Publikum spielen würden. ALLE SPIELEN FÜREINANDER. Der Künstler spielt „Künstler" für das Publikum und das Publikum spielt „Publikum" für den Künstler. Jeder ist für jeden verantwortlich. Die Kunst ergibt sich, indem man gibt. Die Spannung im Theater entsteht aus diesem gegenseitigen Einlassen. Wer sich nicht einläßt: STIRBT, oder schlimmer noch:

ER LANGWEILT SICH!

Matthias DeutschmannVorwort zur MIMUSE 1993 von Matthias Deutschmann

Das Kabarett und die Wirklichkeit!

Kleinkunst, Satire, Scherz, Ironie, Dialekt, Mutterwitz, Vaterland und Humor!

All das ist Kabarett. Das ist ja schon Kabarett! Fast schon kabarettreif!

Realsatire

Live is a Cabaret und Kabarett ist live am besten!

Kabarett ist das eingedeutschte „Cabaret" und das heißt etwa soviel wie, kleines Brett. Direkt vor dem Kopf, kann es die Welt bedeuten! Nun gut, das mag ja zutreffen, aber was ist ein Kabarettist? Ein Wortverdreher, Moralinapostel, kohlsüchtiger Parodist, tumber Tor, tauber Narr? Öffentlichkeitsgeiler Bühnenschwindler? Schnellschwätzer, Be ruf se i nsch ätze r, Polithalodri? Zeitgenössischer Schlachtenmaler? Ein Etappenschwein!? Opportunist oder Bleibtreu in eigener Sache? Kleinvieh macht auch Mist  was macht die Kleinkunst? So viele Fragen! Was wollen Sie mit Ihrem Kabarett? Glauben Sie mit Ihrem Kabarett? Haben Sie mit Ihrem Kabarett? Können Sie mit Ihrem Kabarett? Müssen Sie mir Ihrem Kabarett? Wollen Sie mit Ihrem Kabarett? Haben Sie das öfter? Spielen Sie heute abend wieder das gleiche Programm wie gestern? Der Abend hat uns gefallen, aber was machen Sie eigentlich tagsüber?

Ich kann Ihnen nur sagen was schlechtes Kabarett ist: Schlechtes Kabarett ist, wenn man trotzdem lacht! Aber was ist gutes Kabarett? Gutes Kabarett ist  wenn man trotzdem lacht! Die Betonung bleibt ganz Ihnen überlassen! Es lebe der feine ... Lebt der feine Unterschied noch? Ja, er lebet noch! Aber der kleine, feine Unterschied hat schlechte Karten wo die seichte Kavallerie mit Hufen in's Hirn tritt in leichter Gangart versteht sich!

Am besten schon beizeiten
an einem schadstoffarmen Kabarett arbeiten
für die Schadstoffarmen im Geiste unserer Zeit
noch besser ein Kabarett
ganz frei von Inhaltsstoffen
Kabarett light!

Vorwort zur MIMUSE 1992 von Matthias Beltz

Kleinkunst

Kleinkunst ist Pathos, MenschSein und  Bleibenwollen; Avantgarde ist nur verwichste Scheiße, jedes dumme Großkunstarschloch, das seine Triefnase in die Welt hält, gehört sofort standrechtlich begnadigt, denn diese stinkenden Kulturschänder, die tatsächlich eine Oper oder ein Gedicht oder einen Roman oder ein gemaltes Bild für wertvoller halten als einen geplatzten Autoreifen, sind so herb daneben, daß jeder Tod nur eine vollkommen ungerechtfertigte Erleichterung wäre für sie.

Kunst, also ausschließlich Kleinkunst, vernichtet absolut maschinell alles Große, groß ist dick, dumm und harmlos und noch nicht einmal krank, Großkunst ist unbestechliches Hecheln geistig total verkrebster Arschköpfe um metaphysische Anerkennung im öffentlichrechtlichen Raum, und die Hirnlappen der Großkünstler eignen sich noch nicht einmal zum Angreifen heißer Henkel, Hochkultur ist Blödwichsen auf Stelzen, ist Mordversuch mit ungeladenem Revolver, Museen, Theater, Literatur und Kunsthäuser sind Leichenfickerzentren für sehbehinderte Spanner.

Kleinkunst ist das einzig Wahre, Gute, Schöne, der Begriff ist schon so mit Schimpf und Schande verbunden, daß aus ihm der exkremente Geruch der zwangsläufigen Selbstbefreiung steigt, des einzig schönen Zwangs zum Aufsteigen aus dem Abfall all dessen, was Kulturleistung genannt wird.

Kleinkunst ist dumm, gemein und betulich, geizig, verklemmt und beschränkt, Kleinkunst ist Symbol des Realen und damit jedem Versuch überlegen, das Barbarische zu zähmen. Kleinkunst ist als Barbarei der letzte Virus, der Kultur und Zivilisation davon abhalten kann, konsequent zu werden.

Martin Buchholz Ein Text für Langenhagen von Martin Buchholz - geschrieben am 30.1.1991

Zum Teufel mit der Satire!

Man hat mich gebeten, hier quasi vorwörtlich tätig zu werden für dieses Programmheft (wobei man bei den meisten Programmen, besonders bei Parteien, nur ahnen kann, wer da das Heft in der Hand hat. Jetzt gerade sind Sie es.). Nun habe ich Programmatisches nicht auf Lager, eher schon Antigrammatisches. Satirisches also zum Thema Satire ist hier angedroht.
Ich warne Sie hiermit: Meine Gedanken sind so frei, daß sie es fortwährend trotz matter Proteste meinerseits mit mir treiben. Sie kuddelmuddeln frechfröhlich durcheinander. Sie assoziieren sich ungeniert miteinander. Sie koalieren und kopulieren auf Teufelkomm raus.

Und der Teufel kommt denn auch raus dabei. Und dabei geht es nun mal nicht manierlich zu. So lese ich es auch gelegentlich in Kritiken: „Das war nun wirklich unterhalb der Gürtellinie." Ja, ich gestehe, daß ich dieser Gürtellinie seit jeher die Linientreue konsequent verweigere.

Ich leite  auch wenn die Wortforscher sich da nicht einig sind  mich selbst als Satiriker schon urlange vom Satyr her. Habe also keinen germanichen UrSprung in der Schüssel, sondern einen griechischen. Sie wissen schon: dieser Satyr war ein panhellenischer uriger Typ wie eben auch der Kollege Pan selbst: halb Bock, halb Mensch, jedenfalls kein NullBock. Ein echter Nymphomane: dauernd war er hinter den Nymphen her. Ein bocksgeiler, lustiger, lustvoller und lüsterner Satansbraten.
Unser christlicher Teufel, ohne den der liebe Gott ja auch ganz schön blaß aussehen würde, ist denn auch diesem Urtyp nachgestaltet. Einer, der es faustdick hinter den Ohren hat, der ständig mit erigierter Phantasie herumstromert.

Ein Teufelskerl. Das erkannte nicht nur der derzeitige PillenPaule aus dem PetersCondom, sondern auch schon der erste Paulus, der den Beruf des Apostels ausüben mußte, weil er als Fleischermeister nichts taugte; er gab es den Korintern sogar schriftlich: „Ich weiß, daß in meinem Fleische nichts Gutes ist." Die abendländische Geisteskultur war dem Fleische stets abhold, und so ward der verteufelte Satyr die Inkarnation des eingefleischten Bösen. Deshalb meinen auch die wahrhaft GutMeinenden noch heute: Zum Teufel mit der Satire! Da haben sie zu Recht panische Angst.

Und ich geb's zu: Auch ich hab meist einen satierischen Bock auf mein Publikum. Ich treibe es gern mit den Leuten als kabarettistischer Lustmolch. Wenn ich da auf der Bühne als Sittenstrolch durch die menschlichen Sitten strolche, kann es schon passieren, daß ich den oder lieber noch jene unsittliche berühre, anstößig, denkanstößig zumeist.

Als Satyr war ich schon immer für die Wiedervereinigung: für die von Kopf und Bauch. Und die passiert lachend. Kopflistig und bauchlustig: das ist für mich Satire. Aber die meisten wollen's nur geistreich, also vergessen immer die Hälfte. Die haben sie nicht alle. Sind nie ganz da. Deshalb wird in der Vorschule des Kabaretts, also im KasperleTheater, stets als erstes die satirische Grundfrage gestellt: „Seid ihr alle da?" Bei Kindern kriegt man immer eine Antwort. Bei Erwachsenen erwachsen da Probleme. Die halten eine solche Anfrage in der Omme nicht aus.

Im Namen des omminösen Geistes wird entsprechend lieblos mit Satire umgegangen: Sie wird zumeist kastriert. Und sowas lass' ich ungern mit mir machen. In gewissen Punkten (frz. Pointen) bin ich eigen. EunuchenKabarett ist nicht meine Sache (es gibt davon eh genug: früher real existierend drüben, heute noch hüben öffentlichrechtlich und auch privat). Bei mir findet deshalb auch der fröhliche Kalauer sein Asyl. Der wird ja besonders gering geachtet. Er ist gewissermaßen der Prolet des Humors.

Wenn es nach einigen Kritikern ginge, hätte man als Satiriker eigentlich nur als körperloser Geist auf der Bühne zu gespenstern. Aber was mein Körper ist, der will meistens mit, wenn ich auf den Brettern erscheine, die die meisten ja vorm Kopp tragen (und die für mich  es sei nicht verschwiegen  auch das Geld bedeuten). Und da stehe ich  und kann auch anders.

Was nun meine Gürtellinie betrifft (wir sprechen hier ja glücklicherweise nicht von dem, was früher mal meine Taille war)  die Gürtellinie also scheint für Kritiker offenbar der Meridian des guten Geschmacks zu sein. Alles, was sich darunter befindet, ist „unter Niveau". Dieser Vorwurf trifft allerdings weniger mich als die Leute, die sich zu mir ins Theater hocken. Wenn ich auf der Bühne stehe, ist in erster GürtelLinie das Publikum im Parkett unterhalb der meinen. Also: Niveau? Iwo!

Doch nicht nur das. Unterhalb der Gürtellinie, so lese ich auch, wird es geschmacklos (also, ich hab da ganz andere GeschmacksErinnerungen; so bockig abgeschmackt ist nun mal ein Satyr). So teilen es geschmacksnervige Kritikaster mir und anderen mit: „Dieser Herr Buchholz schmeckt mir nicht!" Ein erlesener Stamm von Kannibalen: Als Feinschmecker wollen die einem nur das Hirn wegschlürfen, jiepern nur nach Geist und Esprit. Und da sollen sie gefälligst in anderen Hirnschalen löffeln. Bei mir nicht! Da wär ich hinterher tatsächlich geistlos.

Ich bin nun mal ein ganzer Narr, kein halber Narr, kein Semi-Narr. Und deshalb werde ich auch in Zukunft sowohl oberhalb als auch unterhalb der Gürtellinie stattfinden. Zweigeteilt niemals! Die HerrschaftsIdeologie des Oben und Unten soll Sache dieser Leckerschmecker bleiben.

Und jenen Igittologen sag ich's herzlich und hirnlich: Dialekt mich doch am satyrischen Teufelsarsch! Wär doch zur Abwechslung mal eine ganz interessante Geschmacks-Variante.

TERMIN VERLEGT

24.10.24  M. Tschirpke  
05.02.26
07.03.24  B. Stijelja 16.01.25
20.04.23  Lucy v. Kuhl 
20.02.25

Karten sind weiter gültig.

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