1983 spielten:

  • Enfants Perdu

    A Kandita Tanzensemble
  • Konrad Beikircher Songs
  • Stephan Blinn MarionettenVarieté
  • Gerd Dudenhöffer Kabarett
  • Enfants Perdus Clownspantomime (Bild rechts)
  • Brigitte Foerg Pantomime
  • Susanne Leineweber Pantomime List & Trick
  • Kumpanei Illusionen
  • Mama Morgana Pantomimentheater
  • Nachtschicht Rocktheater
  • Gerhard Polt & Biermöslblosn Kabarett mit Musik (Bild rechts unten)
  • Ratiborskys Maskentheater
  • Sheer Madness Comedytheater
  • 3 Wheel Circus Comedy
  • 2 Reel Company Comedy
  • Volksam Kabarett
  • Der Wahre Anton Kabarett
  • Werktheater Hamburg Jugendtheater
  • Winter auf Mallorca Tanztheater
  • Woody Wallig Comedy
  • Yoyo Figurentheater

 


 

Michael Laages, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 15.3.1983Gerhard Polt

Mekka der Kleinkunst

In Langenhagen ging das „Mimuse"-Festival zu Ende

Nur eine Tür steht auf der Bühne, dazu ein Tisch samt Telefon und mehreren Filmbüchsen. Doch die sind ziemlich unerheblich  die ebenso rasante wie hanebüchene Geschichte, in der sich die „Two Reel Company" austobt, kommt mit der Tür beinahe schon aus. Nacheinander muß sie als Auto und als Flughafen herhalten, zum Schluß ist sie die quietschende Pforte zum Laboratorium des Doktor Frankenstein. Allerdings: sie quietscht nie selbst, das besorgen in einer aberwitzigen Mischung aus Clownerie und Pantomime die beiden Herren der Company. Mit ihnen hat das dreiwöchige Langenhagener „Mimuse"Festival ein mitreißendes Finale  wie sich insgesamt das Festival vor den Toren der Landeshauptstadt im dritten Anlauf zum echten KleinkunstMekka gemausert hat.

Mit ihnen hat sich auch noch einmal der größte Aktivposten dieses Festivals nachdrücklich in Erinnerung gebracht das Spielerische, Aktionsformen der Kleinkunst, die ihren besonderen Reiz daraus gewinnen, daß sie noch unfertig erscheinen, daß sie wirken wie frisch improvisiert. Dabei sind natürlich noch winzigste Details genau konstruiert doch das Ensemble dieser Kleinigkeiten wirkt als schier unerschöpfliche Fundgrube, in der immer wieder neue Reize auszumachen sind.

Weitere Beispiele für dieses Spielprinzip: der „Wahre Anton" aus Köln präsentiert die direkt politische Variante dieses Theaterpuzzles. Zwar ist sein Stück mit dem Titel „Absa(h)nierung" nicht mehr so ganz taufrisch, doch finden sich immer wieder Zuschauer im vollen Saal, für die das alles neu ist  am Problem, das die beiden Kölner Schauspieler mit sicherem Sinn für die haarsträubend
unlogische Beweisführung neudeutscher Stadtsanierung abhandeln, hat sich ohnedies nichts geändert. Volkstheater heißt hier das Zauberwort, nicht das (manchmal kopflastige) literarische Kabarett bestimmt die Richtung, nicht nach kunstvoll verbuddelten Pointen muß gefahndet werden, sondern die Information ist frech, knallig und direkt, so derb wie Millowitsch und so faktenkundig wie ein „Zeit"Dossier. Dafür bekam der „Anton" vor kurzem in Mainz zu recht den Deutschen Kleinkunstpreis.

Auf der Theaterszene wurde das Arbeitsprinzip bislang meist von den allerorten spießenden „Fool"Ensembles vertreten, neuzeitlichen Clowns der Bühne. „Sheer Madness", eins der erfolgreichsten unter ihnen, hat mit der Premiere ihres neuen Stückes „Die Kuh von Baskerville" (sehr frei nach dem SherlockHolmesErfinder Sir Arthur Conan Doyle) diesmal wenig Glück. Da versickern Anspielungen aus der literarischen Vorlage unerkannt im überdrehten Albereistil, da bleibt die Montage der Absurditäten allzu beliebig. Vielleicht finden die drei Briten noch zur traumhaft spielerischen Linie ihrer EdgarAllanPoeParodie zurück  noch sind sie jedenfalls Klassen davon entfernt.

Wie man Zirkus und Parodie passend aneinanderpappt, das hat bei der „Mimuse" der ebenfalls schon arrivierte „Three
Wheel Circus" vorgeführt  verblüffende und komische Anleihen zwischen Chapiteau und Kinoleinwand. Für diese drei Vollblutkomödianten gilt Ähnliches wie für die FrankensteinEpigonen im furiosen Finale  ihr Spiel bleibt immer Spiel, und das schafft eine Verbindlichkeit, die über einen denkbaren konstruierten satirischen Anspruch weit hinausreicht.

Mit ihnen brachte die „Mimuse" in diesem Jahr mehr denn je  an Neuigkeiten und Profilbestätigungen gleichermaßen. Die zwei festen Domizile („daunstärs" und Schulzentrum) haben zum Flair des Dreiwochenfestes kräftig beigetragen, nicht zuletzt an den prächtigen Besucherzahlen ist das abzulesen. Und wer hier auftrat (auch die vielen, die hier jetzt nicht genannt sind), kann mit seinem „Mimuse"Pfund gewiß auch andernorts wuchern gehen. Denn Langenhagen ist auf dem besten Wege, Norddeutschlands erste Kleinkunstadresse zu werden.